Flipchart

Früher hieß die Tafel Tafel. Sie zeichnete sich dadurch aus, dass man mit Kreide etwas darauf schreiben konnte. Zum Beispiel „Moni ist doof“ oder „Im Jahre 333 - bei Issos Keilerei“. Heute heißt die Tafel „Flipchart“, und man kann nicht mehr „Moni ist doof“ darauf schreiben, sondern nur noch merkwürdigen Schwurbelkram wie „Motivationsparameter mittleres Management“ oder „Schnittmengenanalyse Produktentwicklung / Managementtools“. Und vergessen Sie die Kreide. Das Werkzeug der Wahl ist ein sauteurer Spezialstift, der nie da liegt, wo man ihn sucht.

Der Erfinder des Flipcharts heißt John Henry Patterson und ist natürlich Amerikaner. Immer, wenn Amerikaner etwas erfinden, ist das, was früher einfach und billig war, plötzlich kompliziert und teuer. In den sechziger Jahren hat die Nasa Millionen Dollar für die Entwicklung eines Hightech-Schreibutensils ausgegeben, das in der Schwerelosigkeit klecksfrei funktionieren sollte. Die Russen lachten sich tot, gaben für die Entwicklung null Rubel aus und nahmen stattdessen einen Bleistift mit.

Im Flipchart-Büroalltag zeigt sich schnell, dass die geschniegeltsten Referenten meistens die hässlichsten Handschriften haben. Die aalglatten Projektentwicklungsbengels mit den perfekten Zähnen tun souverän wie Staatenlenker und klecksen drauflos wie Achtjährige. Irgendwann ist der Boden voller beschmierter Zettel, der Referent steht draußen auf dem Flur und raucht Kette, und die zum Brainstorming versammelten Kollegen hängen unglücklich in ihren Stühlen und halten sich wechselseitig für überbezahlt und unterbeschäftigt und den Referenten für einen Marketing-Blender irgendwo zwischen Handyverkäufer und Elvis-Darsteller.

Das Flipchart ist Plappern für Poser. Und die besten Ideen entstehen sowieso dann, wenn man sie nicht erwartet. Ich sag mal so: Wenn Leonardo da Vinci mit dem Flipchart gearbeitet hätte, würde er heute noch den Stift suchen.

Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung – Verfasser: Imre Grimm


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